b Ina Schoenenburg
SCHMALE PFADE
fortwährende Arbeit

Sein linker Kiemendeckel schließt und öffnet sich in schnellem Rhythmus. Beharrlich sieht er an mir vorbei.
Sein Blick, glasig und ausdruckslos, gräbt sich in dunkle, unbewegliche Wolken, die bleiern über uns hängen und deren Last den Raum zwischen ihnen und uns zu verkürzen scheint.

Lange kann er da nicht mehr so liegen, denke ich und starre den Karpfen immer noch an. Herr K. reagiert.
Er hat verstanden. Entschlossen hebt er den Fisch aus dem trockenen Gras und bittet mich, noch ein Foto davon zu machen,
wie er ihn ins Wasser gleiten lässt. „Der war ja eh zu klein“, meint er. Ich nicke eifrig und mache das Bild. Schwapp.
Ein Bild, das nur den sich am Ufer bückenden Herrn K. zeigen wird, aber nicht den Karpfen. „Ich glaube, da war der Fisch zu schnell für mich“, muss ich Herrn K. gestehen. „Macht doch nichts“, sagt er lachend und grinst breit.

Und dann entlädt sich der Himmel. Das vom Winter und seiner Schneelast zerdrückte Gras färbt sich dunkel und verliert seine goldgelbe Farbe. Zeit zu gehen. Mein Mantel ist tropfnass. Ich hefte meinen Blick auf den Boden und fange an zu laufen, entlang des Hölzchens-Sees, der verwaist und still zu meiner Linken liegt. Dahinter erstreckt sich die mächtige Oder, eingebettet in weiche und weite Wiesen ...

In meiner Serie „Schmale Pfade“ erkunde ich entlang der deutsch-polnischen Grenze den Nordosten Brandenburgs, sowie den Nordwesten Polens. Mein Interesse gilt der rauen und schönen Landschaft, abseits idealisierter Szenarien, den Menschen, die ihr ganzes Leben in diesem Landstrich verbracht haben, ihren Geschichten und ihren grenzüberschreitenden Beziehungen.